Von Ronald Hinzpeter
Bellenberg/Landkreis Neu-Ulm/Unterallgäu
So spektakulär wie die Taten, so sind auch die Folgen: Im Juli vergangenen Jahres hatten Gauner Geldautomaten in den Raiffeisen-Bankfilialen Vöhringen und Altenstadt aufgesprengt. Doch dabei nahmen die Gebäude massiven Schaden. Die Niederlassungen können vermutlich erst im Sommer wieder eröffnet werden. Das hat einerseits mit neuen Sicherheitsvorkehrungen zu tun, aber auch mit massiven Lieferproblemen. Wäre es angesichts der Gefahr durch die organisierten Automatenknacker nicht billiger, die Geldscheinspender ganz abzuschaffen, schließlich zahlen immer mehr Menschen bargeldlos? Auf keinen Fall, beteuert Helmut Graf, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Schwaben Mitte: „Solange es Bargeld gibt, gibt es Geldautomaten. Wir haben da in unserem ländlich strukturierten Gebiet auch eine moralische Verpflichtung. Bargeld ist unseren Kunden wichtig.“
Dabei hat es die Raiffeisenbank mit ihren 30 Geldautomaten schon mehrere Male getroffen. So wurden nicht nur in Vöhringen und Altenstadt Geräte aufgebrochen, sondern auch in Lauben, wo bisher unbekannte Täter zweimal zuschlugen. Während die Geldschrankknacker viermal auf Sprengstoff setzten, nahmen sie ebenfalls im Sommer vergangenen Jahres in Kirchhaslach einen sogenannten Spreizer, wie ihn etwa die Feuerwehr verwendet, um eingeklemmte Unfallopfer aus ihren verbeulten Fahrzeugen zu befreien. In diesem Fall erbeuteten die Unbekannten tatsächlich Bargeld, denn das betroffene Gerät war zwar zur Sicherheit mit Farbpatronen ausgestattet, die im Fall einer Erschütterung hochgehen und die Scheine völlig unbrauchbar machen. Doch bei ihnen handelte es sich um ältere Modelle, die auf den Spreizer nicht reagierten. Die Gauner rasten mit mehreren zehntausend Euro davon. Das wird so nicht mehr passieren, versichert Graf im Gespräch mit unserer Redaktion, denn moderne Farbkartuschen reagieren auch auf den Einsatz eines Spreizgerätes.
Während früher Banken meist mit vorgehaltener Schusswaffe ausgeraubt wurden, haben sich organisierte Banden – oft aus den Niederlanden – darauf verlegt, nachts die gefüllten Geldautomaten aufzubrechen. Allerdings gehen sie dabei zwar brachial, aber nicht immer professionell vor, wie Bankvorstand Graf findet. In der Filiale Altenstadt machten sich zwei Täter zu schaffen. Während einer ein Sprengstoffpäckchen auf den Geldautomaten legte, packte der zweite sein Explosivpaket auf den Kontoauszugsdrucker – bis der andere ihn auf seinen Fehler hinwies, wie sich im Überwachungsvideo zeigte. Wenig später knallte es. Was Helmut Graf schockiert, ist die Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit der die Täter vorgehen: „Die legen einfach den Sprengstoff obendrauf – und dann los...“ Was er jedoch nicht versteht: In Vöhringen liefen die Täter nach der Detonation zu ihrem Wagen. Bevor er einstieg, rief einer von ihnen laut und deutlich „Fuck Israel!“ Zu sehen ist das in einem Video, das ein Nachbar gedreht hat, der durch den Knall wach geworden war. „Was soll das bedeuten?“, fragt sich Graf. Nach den Überfällen muss die Bank in Vöhringen und Altenstadt jeweils zweistellige Millionenbeträge aufbringen, um die Folgen zu beseitigen. Das ist immer noch nicht gelungen, unter anderem, weil die neuen Automaten eine extrem lange Lieferzeit haben. Die Raiffeisenbank geht davon aus, dass die sanierten Standorte erst im dritten Quartal dieses Jahres öffnen können. Die lange Zeit wird teilweise auch für diverse Sicherheitsumbauten benötigt. Künftig verschwinden die Automaten hinter Metallrollos, die in Sekundenschnelle herunterrasseln. „Wir haben in der Sicherheitstechnik aufgerüstet, bei uns gibt es nichts mehr zu holen“, erklärt der Bankvorstand.
Die Überfälle blieben auch in anderer Hinsicht nicht folgenlos, denn sie führten bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu starken psychischen Belastungen. Hinzu kam, dass die Belegschaften aus Altenstadt und Vöhringen auf andere Filialen verteilt wurden und dabei reichlich zusammenrücken mussten. Doch das scheint ganz gut geklappt zu haben: „Wir haben die Mitarbeiter reingequetscht, wo Platz war, aber da hat sich unser tolles Klima ausgezahlt.“ Auch die Kundinnen und Kunden hätten Verständnis gehabt, kein einziger sei abgesprungen. Das Jahr 2024 hielt ja noch andere Prüfungen für die Bank bereit, denn im Junihochwasser soffen sechs von zwölf Niederlassungen teilweise ab. Betroffen war vorrangig die Filiale auf der Wies in Babenhausen. Dort stand der Keller mit den Schließfächern unter Wasser. Die befinden sich in einem Tresorraum, der zwar Einbrecher abhält, nicht aber eindringendes Wasser: „Dem Gold hat das nichts gemacht, das kann man wieder abputzen, aber da lagern ja auch Papiere, Dokumente und Bargeld...“ Dennoch wird die Bank weiterhin Schließfächer anbieten, was längst nicht mehr alle tun, denn der Bedarf sei enorm gestiegen. Der Grund: Gold bietet in der Krise Sicherheit.