Vor genau zehn Jahren blickte die Finanzwelt in den Abgrund. Der Zusammenbruch der globalen Finanzsysteme wurde durch Notenbanken und Regierungen erfolgreich verhindert. Doch die Rettung erfolgte auf Kredit und wurde bislang noch nicht bezahlt.
Um einen Eindruck über die Größenordnung dieser Rechnung zu erhalten, bietet sich ein Blick in die Bilanzen von Fed und EZB an. So hat sich im vergangenen Jahrzehnt die Bilanzsumme der US-Notenbank von weniger als 1.000 Milliarden auf über 4.100 Milliarden Dollar vervielfacht. Bei der Europäischen Zentralbank war im selben Zeitraum ein Zuwachs von ungefähr 1.500 Milliarden auf 4.600 Milliarden Euro registriert worden. Und auch die Bilanzen der Bankenbranche, die Schulden von Unternehmen und Privathaushalten sowie die Geldmenge M1 sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen. Das heißt: Bei der nächsten globalen Krise der Finanzsysteme dürfte aufgrund der deutlich gestiegenen Fallhöhe der Blick in den Abgrund um einiges schwindelerregender ausfallen.
Für uns Europäer sollte eine Entwicklung als besonders besorgniserregend wahrgenommen werden. Während die Fed seit Dezember 2015 bereits achtmal ihre Leitzinsen erhöht und ihre aufgeblähte Bilanz in weniger als vier Jahren um immerhin 370 Milliarden Dollar reduziert hat, will die EZB Ende 2018 lediglich ihr Anleihekaufprogramm beenden. Ein Termin für die erste Zinserhöhung steht noch in den Sternen. Das heißt: Im Krisenfall stünde die „geldpolitische Waffe“ Zinssenkungen den europäischen Notenbankern gar nicht zur Verfügung. In den USA dagegen schon, schließlich sind dort die Leitzinsen Ende September auf immerhin 2,25 Prozent angehoben worden.
Über die Werthaltigkeit von Geld und Gold
Sprachlich unterscheidet sich Geld und Gold zwar lediglich durch einen Buchstaben, wirtschaftlich klaffen zwischen beiden Währungen jedoch Welten. Generell wird von Geld erwartet, dass es als Zahlungsmittel, als Wertaufbewahrungsmittel und als Recheneinheit funktioniert. Aber was soll man eigentlich von einer Währung halten, deren Menge in den vergangenen Jahren deutlich dynamischer als die Wirtschaftsleistung gewachsen ist? Oder wie soll man als Anleger über die Qualität einer Währung denken, wenn man für einen Kredit, historisch betrachtet, extrem wenig bezahlen muss oder als Privatanleger für das Überlassen von Kapital keine Zinsen erhält? Der gesunde Menschenverstand legt folgende Antwort nahe: nicht viel.
Als wissenschaftlich anerkannter Maßstab für die Qualität von Geld hat sich in der globalen Finanzwelt die Inflationsrate durchgesetzt. Aussagekräftiger wird sie zwar durch den Begriff Geldentwertung, in den Medien wird aber lieber auf das Synonym Teuerung zurückgegriffen – klingt wahrscheinlich nicht ganz so brutal. In Deutschland ist die jährliche Teuerung im Oktober mit 2,5 Prozent auf den höchsten Wert seit zehn Jahren angestiegen, was bei zehnjährigen Bundesanleihen angesichts Magerrenditen um 0,4 Prozent eine systematische Vermögensvernichtung nach sich zieht. Doch sollte man deshalb als Sparer bzw. Anleiheinvestor neidisch nach Italien blicken, wo die Inflation mit 1,6 Prozent niedriger und die zehnjährigen Renditen mit 3,6 Prozent höher als hierzulande ausfallen? Wohl kaum, schließlich werden überdurchschnittliche Zinsen in der Kapitalmarkttheorie auch stets mit einem erhöhten Ausfallrisiko gleichgesetzt. Dieses sogenannte Kontrahentenrisiko entfällt bei Gold in Form von Barren und Münzen komplett.
Gold als Wertaufbewahrungsmittel
Derzeit konkurriert das gelbe Edelmetall nicht als Zahlungsmittel oder Recheneinheit mit all dem Geld in der Welt, sondern vor allem in seiner Funktion als Wertaufbewahrungsmittel. In den vier Jahren nach dem Beinahe-Zusammenbruch der Finanzsysteme floss zunächst einmal viel Kapital in den sicheren Hafen Gold. Doch nach der historischen „Whatever it takes“-Rede von EZB-Chef Mario Draghi glaubten im Sommer 2012 – dem Höhepunkt der Eurokrise – die Investoren mehrheitlich an eine erfolgreiche Rettung des Euro. Seither hatte die Anlageklasse Gold gegenüber der Konkurrenz mit Aktien, Immobilien und zeitweise sogar gegenüber Kryptowährungen eindeutig das Nachsehen. Eines sollten strategisch denkende Investoren mit langfristigem Anlagehorizont aber stets im Hinterkopf behalten: Von Notenbanken initiierte Geldfluten haben in der Vergangenheit immer zu Fehlallokationen von Kapital inklusive Spekulationsblasen geführt. Einige Kapitalmarktexperten sprechen angesichts hoher Anleihe-, Aktien- und Immobilienpreise sogar von einer „Everything-Bubble“. Bei Gold dürfte der Anteil heißer Luft relativ gering sein, schließlich notiert der Krisen-, Vermögens- und Inflationsschutz aktuell 35 Prozent unter seinem Rekordhoch.
Triftige Gründe, dass Goldinvestments unter vermögensstrategischen Aspekten weiterhin Sinn machen, liefern die Notenbanken jedoch nicht nur über ihre ultraexpansive Geldpolitik, sondern auch durch das Management ihrer Goldreserven. Dabei sind vor allem zwei Lager auszumachen. Das eine hält an seinen hohen Goldreserven fest, während das andere Lager die Bestände an Gold kräftig aufstockt. Seit über sieben Jahren haben die internationalen Notenbanken in jedem Quartal mehr Gold gekauft, als verkauft. Im dritten Quartal war laut World Gold Council sogar der stärkste Goldappetit seit 2015 registriert worden. Wenn Währungshüter verstärkt Gold kaufen, sollte einem das zu denken geben, schließlich gelten sie als krisenerfahrene Geldexperten.
Jörg Bernhard, Freier Wirtschaftsjournalist