Eröffnungsveranstaltung des Literaturherbstes 2014

Werner Specht

"Gedankenflug - Allgäu-Geschichten mit Musik"

Literaturherbsteröffnung in der Raiffeisenbank Krumbach

Zeitschrift: MN September 2014

Über die „Schtille“

Zur Eröffnung des Literaturherbstes in der voll besetzten Kundenhalle der Krumbacher Raiffeisenbank gab es ungewöhnliche Einblicke in die Dimension der „Schtille“: ein einfühlsamer Abend mit Werner Specht.

Das Gefühl, direkt neben ihm zu sein. Noch ein kleiner Schritt und man wäre oben auf der Bühne bei Werner Specht. Könnte ihm, während er singt, direkt ins Notenheft schauen, in den Pausen zwischen den Stücken einfach mal kurz mit ihm und seinen Musikern plaudern. Werner Spechts Auftritt – das ist in einer gewissen Weise die Wärme einer Wohnzimmeratmosphäre, ein Gefühl zu Hause zu sein. Dort, wo man in den Gesprächen die Oberflächlichkeiten und die handelsüblichen Floskeln hinter sich lässt. Dort, wo es auch Momente der Stille geben kann. Die Suche nach der Stille – sie trägt das Leben und die künstlerische Arbeit des vielfach ausgezeichneten Liedermachers, Poeten und Malers Werner Specht. Stille als Bereitschaft glücklich zu sein, wie er es in seinem neuen Buch „Schtille“ umschreibt.

„Schtille“? Ja „Schtille“! Specht ist 1942 in Lindenberg im Allgäu geboren. Er dichtet und singt im Westallgäuer Dialekt. Der Dialekt als eine Art direktes, unverbrauchtes, gefühlvolles Korrektiv zu einer bisweilen seltsamen Gegenwart. Auch Werner Spechts Erscheinung ist der Gegenwart auf eine bemerkenswerte Weise entrückt. Lange graue Haare, grauer Oberlippenbart, eine irgendwie aus der Zeit gefallene große Brille mit Metallrand. Er umarmt regelrecht sein Instrument, scheint dann für Augenblicke mit sich allein. Und doch scheint er in diesen Momenten, in denen er auch kauzig und mürrisch wirken kann, in sich hinein zu lächeln. Dann schaut er wieder hoch, sagt vielleicht einen kurzen Satz zum nebenan sitzenden Musiker, sucht den Blickkontakt mit den Menschen im Publikum. „Jetzt spielen wir … ich weiß gar nicht, wie es heißt … wir spielen es auswendig …“.

Improvisation und entspannte Atmosphäre sind die Bühne für viel Hintersinniges. Es ist eine interessante Begleiterscheinung, dass ausgerechnet die Wirtschaftszeitung Handelsblatt in diesen Tagen die „Selbstoptimierung, den Wahn vom effizienten Leben“, die „Diktatur der Perfektion“ zum großen Titelthema machte. Specht besingt dagegen an diesem Abend die „Kanapee-Nordwand“.

So ein Kanapee ziert ein schönes Wohnzimmer. In ein solches hat sich in einer gewissen Weise die Kundenhalle der Krumbacher Raiffeisenbank zur Eröffnung des Literaturherbstes verwandelt. Werner Specht und seine drei Musiker Peter Zürn, Heiner Merk und Dieter Peinecke in Krumbach? Das ist maßgeblich der Initiative von Helga Nitschke und Christine Deubler zu verdanken. Darüber berichtet Uwe Köhler, Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank Krumbach. Es ist selbstredend, dass für Köhler, der aus der Eifel stammt, dieser Mundartabend zu einer ganz besonderen Herausforderung wird. Ja, der Dialekt, sogar von Ort zu Ort, von Tal zu Tal die großen Unterschiede – nicht nur im Allgäu, sondern auch in Mittelschwaben, wie Bürgermeister Hubert Fischer erklärt. Welche Ausdrucksmöglichkeiten der Dialekt bietet, wird an diesem Abend deutlich. Auf „westallgäuerische“ Art greift Werner Specht singend und lesend die Realsatire des Lebens auf. Das Gerangel am Buffet, das Prahlen mit der Urlaubsweltreise, das „effiziente“, mit einem digitalen Datensalat garnierte, „selbstoptimierende“ Fitnesstraining auf einem „Rad ohne Räder“ im Hauskeller, der Mann ohne Frau allein zu Hause, der Kühlschrank leer. Auch die bitteren Momente des Lebens, den Abschied für immer. Und kleine, vielleicht aber ganz große Lichtblicke wie Farbtupfer in einer grauen Welt. Es ist das alltägliche Banale, das Bittere, aber auch Träume, Sehnsüchte, Hoffnungen. Am Schluss singen sie über das Allgäu, auch eine Art Liebeserklärung, die über das „Allgäu weit hinausgeht. Vielleicht eine Liebeserklärung an die Momente, in denen das Licht stärker ist als das Dunkel.

Bilder vom Eröffnungsabend