Von Johann Stoll
Babenhausen
Es sind alarmierende Zahlen, und sie betreffen jeden. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat in diesem Sommer veröffentlicht, dass die Preise für Speisefette und Speiseöle im Vergleich zum Vorjahr um 44,2 Prozent angezogen haben. Vollmilch verteuerte sich um 24,2 Prozent. Käse und Quark sind 23,1 Prozent teurer als vor einem Jahr. Die Preissteigerung für alle Nahrungsmittel liegt im Schnitt spürbar über den rund acht Prozent Inflation insgesamt. Preistreiber seit Beginn des Angriffs von Russland auf die Ukraine sind neben der Energie die Nahrungsmittel. Warum aber ist das so? Und wie reagieren die Kundinnen und Kunden? 26 Standorte gibt es in der Region, die zu einer eigenen GmbH gehören, der Raiffeisen-Ware Schwaben-Allgäu.
Das Unternehmen mit Sitz in Babenhausen erzielt 2022 voraussichtlich einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro. Einer der Geschäftsführer ist Christian Gerstle. Er sagt, trotz des Preisanstiegs sei die Lebenshaltung immer noch vergleichsweise günstig. Waren es vor einem Jahr noch elf oder zwölf Prozent ihres Einkommens, die Menschen hierzulande im Schnitt für Lebensmittel ausgeben mussten, sind es jetzt 14 bis 15 Prozent. Weil aber die Energie noch obendrauf kommt, geraten immer mehr Menschen in finanzielle Schwierigkeiten. Die Raiffeisen-Warenhäuser spüren derzeit nur einen geringen Rückgang beim Umsatz, auch wenn Gerstle einräumt, dass wieder mehr Kundinnen und Kunden, um Kosten zu sparen, zu Discountern abwandern. Die Raiffeisen-Häuser trifft es aber bisher weniger hart. Stammkunden und -kundinnen blieben ihnen treu. Und für Gartenbedarf und Heimtiere erziele das Unternehmen sogar Zuwächse.
Die Märkte bedienten einen Trend, der Regionalität heißt. Darauf setzt das Unternehmen mit Erfolg – ob bei Kartoffeln, Mehl, Äpfeln, Milch oder sogar Fleisch in der Kühltheke. In den vergangenen Jahren habe den Warenhäusern diese Ausrichtung einen großen Aufschwung beschert, sagt der Vorsitzende der Genobank Unterallgäu Anton Jall, dessen Unternehmen 20 Prozent Anteile an der Raiffeisen-Ware hält. 70 Prozent besitzt die Raiffeisenbank Schwaben-Mitte, den Rest teilen sich die Raiffeisenbanken Türkheim und Pfaffenhausen. Woher kommt die Preissteigerung bei Lebensmitteln? Dünger sei dreimal so teuer geworden, vor allem verursacht durch die steigenden Energiekosten, aber auch durch Lieferprobleme. Dem Eindruck, Weizen sei im Preis stark gestiegen und deshalb sei Brot spürbar teurer, trat Gerstle entgegen. Für die Dezitonne Weizen hat die Raiffeisen-Ware 34 Euro ausgezahlt. Für die 40.000 Tonnen Getreide, die das Unternehmen vermarktet, sind elf Millionen Euro an die heimischen Bauern gezahlt worden, betont der Geschäftsführer.
Für das einzelne Brot spielt der Getreidepreis eine minimale Rolle. Bei einem Ein-Kilo-Brot mit 700 Gramm Mehl mache das zwölf Cent aus. Die hohen Energiepreise für Gas und Diesel, aber auch die Personalkosten schlagen bei den Grundnahrungsmitteln durch. Beim Bier sei es übrigens ähnlich. 30 Cent teurer ist die Braugerste für einen Träger Bier. Einen Vorteil sehen Jall und Gerstle in den gestiegenen Preisen für Lebensmittel. Diese würden wieder mehr geschätzt.
Im Voralpenland hat es heuer auch ausreichend Niederschläge gegeben, sodass die Ernte sehr gut mit hoher Qualität ausgefallen sei. Schwierig sei die Lage derzeit am Düngermarkt. Importiert werde verstärkt aus Afrika, weniger aus Europa. Viele Landwirte im Unterallgäu hätten sich aber bereits für das nächste Jahr eingedeckt. Stickstoff sei allerdings kaum noch auf Lager. „Wir leben in unsicheren Zeiten“, sagt Gerstle. Aber weil die regionalen Kreisläufe funktionierten, blicken die Vertreter der Genossenschaften zuversichtlich in die Zukunft.