Landkreis Neu-Ulm Sie sind professionell vorbereitet, sprengen Geldautomaten und sind in fünf Minuten mit der Beute verschwunden. Kriminelle Banden haben sich auf Bankautomaten spezialisiert und sind in den vergangenen Wochen in der Region offenbar verstärkt aktiv. Für die betroffenen Geldinstitute bleibt oft nur, die Automaten zu bestimmten Zeiten zu leeren und abzuschalten. Eine Dauerlösung ist das aber nicht.
„Das Thema Sprengungen von Geldautomaten beschäftigt uns derzeit sehr“, sagt Helmut Graf, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Schwaben Mitte. Die Einschläge kommen buchstäblich immer näher: Erst vor wenigen Tagen sprengten Unbekannte einen Geldautomaten der Genossenschaftsbank Unterallgäu in Erkheim, vor wenigen Wochen auch in Stetten. Auch in Weißenhorn versuchten Unbekannte bereits, einen Automaten zu sprengen. In Dornstadt waren die Täter im Mai 2022 erfolgreich: Hier war ein frei stehender Geldautomat das Ziel.
Im Nachbarlandkreis Günzburg versetzte die Kriminalpolizei die Sparkasse Günzburg-Krumbach kürzlich in Alarmbereitschaft: Hier wurden Standorte von mehreren Geldautomaten von den Tätern ausgespäht, es stand zu befürchten, dass diese Automaten demnächst das Ziel der Banden sein könnten. Die Konsequenz: An zwei Standorten schließt die Sparkasse die SB-Bereiche der Filialen nachts. Einen dritten Standort hat die Sparkasse vorübergehend komplett geschlossen.
Eine dauerhafte Option, mit der sich die Filialautomaten der Raiffeisenbank Schwaben-Mitte vorsorglich schützen ließen, sei das nicht, sagt Bankvorstand Matthias Kohl. „Es würde einen immensen Personalaufwand erfordern, um die Geldkassetten jeden Abend und übers Wochenende zu entfernen und sicher zu transportieren.“
Der Schaden, der durch die Sprengungen entsteht, ist immens, nicht allein. Alleine in Stetten, wo vor wenigen Wochen ein Automat der Genossenschaftsbank gesprengt wurde, hatte die Wucht der Explosion die Eingangstüre der Bankfiliale 30 Meter weit weggeschleudert. Die Polizei beziffert den durch die Sprengung entstandenen Sachschaden am Haus und dem Automaten auf mehr als 150.000 Euro. Für die entstandenen Schäden sind die Banken zwar in der Regel gut versichert. „Aber die Versicherungssummen gehen natürlich kräftig nach oben, wenn es einen Schadensfall gegeben hat“, sagt Helmut Graf, der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank Schwaben Mitte. Das treibt die Kosten für die Banken zusätzlich in die Höhe.
Doch wie soll es für die Banken auf Dauer mit dem Problem weitergehen? „In der Konsequenz müssen wir darüber nachdenken, ob Geldautomaten-Standorte geschlossen werden müssen“, erklärt Matthias Kohl. Bundesweit haben bereits Banken angesichts der Gefahr einer Sprengung einzelne Automaten zumindest vorübergehend stillgelegt oder zumindest nachts geschlossen. Oft liegen in den Stockwerken über den Geldautomaten-Standorten Wohnungen. Die Wucht einer Sprengung, so die Befürchtung, könnte auch sie in Gefahr bringen.
Das Thema Geldautomatensprengungen beschäftigt mittlerweile auch die Politik. Banken und Sparkassen in Deutschland haben sich im vergangenen Herbst mit dem Bundesinnenministerium, dem Bundeskriminalamt, der Deutschen Bundesbank und weiteren Institutionen in einer gemeinsamen Erklärung auf Maßnahmen zur Gefahrenabwehr verständigt. Bei der Sparkasse Neu-Ulm/Illertissen wurden die Empfehlungen bereits umgesetzt. „Wir haben unsere Standorte bereits einer Prüfung unterzogen und orientieren uns dabei an den Handlungsempfehlungen.
Welche Sicherungsmaßnahmen jeweils geeignet sind, hängt maßgeblich von den Gegebenheiten vor Ort ab“, heißt es dort. „Das Ziel ist es, eine sichere Bargeldversorgung zu gewährleisten und gleichzeitig das Risiko von Sprengungen zu reduzieren.“
Das Bayerische Landeskriminalamt empfiehlt den Banken und Sparkassen Präventionsmaßnahmen. Der jüngste Fall in Erkheim beschäftigt dort aktuell die Ermittler. Hier geht man davon aus, dass durch Vorbeugung die Wahrscheinlichkeit von erfolgreichen Sprengungen verringert werden kann. „Erfahrungen aus anderen betroffenen Regionen und Ländern stützen diese Einschätzung“, schreibt das Landeskriminalamt gegenüber unserer Redaktion. „Ziel ist es, die Täter mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verfolgen und gleichzeitig die Banken bei den vorbeugenden Schutzmaßnahmen so gut wie möglich zu unterstützen.“
Über die Tätergruppen, die Taten dieser Art begehen, wissen die Ermittler, dass sie in Kleingruppen bevorzugt in der Nähe von Autobahnen agieren. „Viele von ihnen sind Niederländer, oft mit Migrationshintergrund, welche für die Tatbegehung nach Deutschland einreisen“, so das LKA. Ob die jüngsten Fälle im Unterallgäu diesen Tätern zugerechnet werden können, sei Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Die Ermittlungen sowie die Untersuchungen der Spuren im Kriminaltechnischen Institut des BLKA seien noch nicht abgeschlossen. Bei den Fällen im Landkreis Günzburg, in denen Geldautomaten ausgespäht wurden, hält sich das Landeskriminalamt noch bedeckt: „Mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen bitten wir um Verständnis, dass wir dazu keine Angaben machen können.“ Kommentar